Das Tacheles – Erinnerungen an ein legendäres Künstlerquartier

Lange Jahre galt das Tacheles als das Epizentrum der alternativen Kunst- und Kulturszene in Berlin-Mitte. In der Oranienburgerstraße gelegen war das Kunsthaus Tacheles Ort für Ateliers, Clubs, Ausstellungen und Konzerte, bis es im Jahr 2014 verkauft wurde. Das Gebäude wird seither in einem umfangreichen Bauprojekt saniert und in das umliegende Wohngelände eingegliedert, auf dem Luxusapartments, Büro- und Einkaufsflächen gebaut werden. Teile des ehemaligen Tacheles haben mittlerweile ein neues Gebäude in Berlin-Marzahn bezogen.

Tacheles Berlin

Die Geschichte des Tacheles

Die Geschichte des Gebäudes reicht in das frühe 20. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit gehörte das Haus zur Friedrichstadtpassage, einer Einkaufsmeile, die sich von der Oranienburgerstraße bis zur Friedrichstraße erstreckte und zu ihrer Zeit die zweitgrößte Einkaufsstraße Berlins war. Die Baukosten trugen zur Fertigstellung des Bauprojekts sieben Millionen Mark. Das Gebäude bestand aus fünf Geschossen, die allesamt aus Stahlbeton gebaut wurden, was revolutionär war für die damalige Zeit. Der Baustil lässt sich der frühen Moderne zuordnen und weist klassische und gotische Einflüsse auf.

Zu Zeiten des Nationalsozialismus, in den 1930er Jahren, wurde das Gebäude von Dienststellen der NSDAP genutzt. Auch das Bodenamt der SS nutze das Gebäude für ihre Zwecke. Die Nationalsozialisten nahmen außerdem Umbaumaßnahmen vor – so schlossen sie beispielsweise die Dachoberlichter des Gebäudes, um dort französische Kriegsgefangene unterzubringen. 1948 wurde das Gebäude vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) der DDR übernommen. Der FDGB nahm keine notwendigen Sanierungs- und Reparaturarbeiten vor, sodass das Gebäude über die folgenden Jahre verwitterte. Zu Zeiten der DDR wurde das Gebäude lediglich teilweise von kleineren Geschäften und Handwerksbetrieben genutzt. Obgleich das Gebäude des Tacheles während des zweiten Weltkriegs nur wenig zerstört wurde, verfiel es über die Jahre unter dem DDR-Regime und wurde im Jahr 1980 zur Teilsprengung freigegeben.

Es wurden weite Teile des Gebäudekomplexes zerstört, unter anderem eine noch vollständig erhaltene Kuppel, die die ehemalige Einkaufspassage zwischen Oranienburgerstraße und Friedrichstraße verbunden hatte. Am 13. Februar 1990 wurde der noch existierende Teil des Gebäudes von der Künstlerinitiative Tacheles besetzt, die den weiteren Abriss des Gebäudes verhindern wollte, indem sie sich gegenüber des Rechtsträgers, der zu dieser Zeit der Bezirk Berlin-Mitte war, auf Denkmalschutz beriefen. Diese Unternehmung gelang der Künstlerinitiative, die fortan die Räumlichkeiten für diverse Kunst-, Aktions-, und Kommunikationsprojekte nutzte.

Tacheles

Das Tacheles wurde zum Kulturzentrum. In der aktivsten Phase befanden sich im Tacheles rund 80 Künstlerateliers für bildende Künstler, Verkaufsräume für zeitgenössische Kunst und Kunsthandwerk, Proberäume für Musiker, diverse Ausstellungsräume sowie das unabhängige Kino High End Five und Veranstaltungsräume wie der Blaue Salon und das Café Zapata. Die im Innenhof des Gebäudes gelegene Freifläche wurde unter anderem für Open-Air-Ausstellungen genutzt und bot Platz für großformatige Skulpturen und Installationen. Das Tacheles war ein idealer Ort für eine florierende Kulturszene, bot weitreichende Möglichkeiten für Künstler aus unterschiedlichsten Bereichen und förderte so diverse Strömungen der zeitgenössischen Kunstszene. Das Tacheles war ebenfalls ein wichtiger Ort für die Off-Theaterszene in Berlin. Auf der zweiten Etage des Tacheles befand sich der goldene Salon, der mit einer großzügigen Bühne Ort für experimentelle Theateraufführungen war.

Auch wenn das Kulturzentrum Tacheles ein prägender Ort für die Kunst- und Kulturszene Berlins war, und gleichzeitig beliebt bei Besuchern und Touristen, bahnte sich die Auflösung im Jahr 2008 an, als der symbolische Mietvertrag mit dem damaligen Eigentümer des Gebäudekomplexes auslief. Die Neuverhandlung eines Mietvertrags scheiterte und das mittlerweile schwer baufällige Objekt wurde zwangsversteigert. Nach einigen gescheiterten Räumungsversuchen und Protesten aus der Kunst- und Kulturszene wurde das Tacheles am Morgen des 4. September 2012 endgültig geräumt.

Das neue Stadtquartier am Tacheles

Im Jahr 2014 kaufte die New Yorker Vermögensverwaltung Parella Weinberg Partners LP das gesamte Gelände um das ehemalige Tacheles. Das Gelände wurde am Tacheles benannt und wird mit modernen Eigentumswohnungen, Büro- und Gewerbeflächen bebaut – der Bauplan sieht außerdem vor, dass das ehemalige Tacheles wieder kulturell genutzt werden soll. Das Stockholmer Fotomuseum Fotografiska soll zukünftig eine Dependance im historischen Gebäudeteil des Tacheles eröffnen. Aller Voraussicht nach soll das neue Bauprojekt 2022 abgeschlossen und die neuen Flächen eröffnet werden.